Klassentreffen mal anders

"Rettungsringe" von Jan Schröter

Auf dem Weg in den Norden habe ich im Zug (siehe Foto) das nächste BookClub Buch "Rettungsringe" von Jan Schröter gelesen. Obwohl ich es selbst vorgschlagen habe, war ich skeptisch.

Was soll ich sagen? Es hat mir gefallen! Natürlich ist es keine anspruchsvolle Literatur, aber durchaus gute Unterhaltungslektüre.

Aber nähern wir uns dem Buch doch zunächst  mal von außen: Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet. Der angebissene Donut mit Schokoladenguß und Zuckerstreuseln sowie der Titel "Rettungsringe" sind haptisch hervorgehoben. Sowohl auf dem Cover als auch auf dem Buchrücken. Das ist sehr schön gemacht.

Der Titel "Rettungsringe" ist nicht nur doppel-deutig, sondern trippel-deutig. Zum einen verweist er, gemeinsam mit dem Donut auf die Rettungsringe, die Paul sich inzwischen angefuttert hat (u.a. mit Domuts aus der Bäckerei ums Eck), zum anderen auf die Kanufahrt (wo zwar nur Rettungswesten zum Einsatz kommen, aber es passt) und drittens auf den übertragenen Sinn, die ehemaligen Schulkameraden werden zum Rettungsring untereinander.

Die Kanufahrt auf der Weser entpuppt sich für alle als mentale und körperliche Herausforderung. Ehemalige Gegner werden im Laufe der Zeit zu Freunden. Die Beteiligten wachsen über sich selbst hinaus, um den anderen beizustehen. Gleichzeitig tun sich Abgründe auf. Durch das enge Beisammensein und die Ausnahmesituation kommen Charakterzüge und Geheimnisse  zum Vorschein, die der ein oder andere gerne für sich behalten hätte.

Während man zu Beginn eine Geschichte aus Sicht von Paul erwartet, wechselt Schröter im Laufe der Story munter zwischen den Perspektiven der sechs Peronen, ohne dabei seine Leser auf der Strecke zu lassen. Er wagt sich sogar an das Innenleben der weiblichen Protagonisten und er macht das nicht schlecht.

Sicher ist das ein oder andere etwas übertrieben und vielleicht soagr etwas zu konstruiert, wie z.B. Thorsten, der eine Radtour macht und so Isa findet oder Django, der Schutzgelderpresser, der hinter dem Geld her ist, das Ragna mitgenommen hat oder Merle, die auf dem Damenklo einer Gaststätte ihre Unterhose und Shorts über dem Händetrockner versucht zu trocknen.... nichtsdestotrotz, es bringt Bewegung in die Sache.

 

Die sechs Protagonisten bedienen natürlich auch gewisse Klischees, um überhaupt eine Spannung zwischen den Figuren zu erzeugen:

Paul, der vermeindlich coole aber liebenswerte Loser

Isabelle, die kühle, schöne, arrogante, wohlhabende Dame von Welt

Jens, der "Nerd", der in den Naturwissenschaften aufgeht, aber wenig Sozialkompetenz zu haben scheint

Sebastian, der Familienmensch und Möchtegern-Weiberheld

Merle, die gefühlsgesteurte Chaotin

Ragna, die wilde, sexy Rockröhre

und nicht zu vergessen Pelle, der "hässlichste Hund der Welt".

Aber hatte nicht tatsächlich jede Klasse oder zumindest Jahrgangsstufe so jemanden?

 

Nach und nach bröcklen diese Bilder, die Schröters Figuren voneinander haben. Das ist gut gemacht. Er zeigt auch, wie Menschen dazu tendieren, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, wenn sie auf Menschen aus der Vergangenheit treffen.

z.B. in Kapitel 16: Sind wir immer noch wie früher oder haben wir uns entwickelt und verändert? Ist dies eine Zeitreise, ein Rückfall in die Pubertät? Sie denken darüber nach, was sie ändern würden, wenn sie könnten.

 

Schröter schafft es den Leser an die eigene Vergangheit zu erinnern. Wie war das damals in der Schule? Wer gehörte dazu? Wer nicht? Und warum? Wen mochte man bzw. mit wem war man spinnefeind? Warum gibt es Klassentreffen und warum geht man da egentlich hin  - obwohl die meisten das gar nicht wollen? Und wie würde man selbst reagieren, wenn man eine Abiturfahrt oder Klassenfahrt mit den ehemaligen Klassenkameraden nachholen müsste/würde?

 

Die Kanufahrt, die Landschaft wie auch die Wirkung auf die Protagonisten ist glaubwürdig beschrieben (ich musste an eine Kanufahrt denken, die ich selbst erlebt habe).

Die Nebenfiguren sind zum Teil gut ausgearbeitet, wenn nötig.

 

Allerdings ist das Buch m.E. für eine bestimmte Generation geschrieben. Leser unter 30 tun sich evtl. etwas schwer damit und finden es vermutlich langweilig.(das reisst auch Lennart, Pauls Sohn, nicht raus).

 

Ein witziges und ernstes Buch. Sebastians Krankheit fand ich persönlich unnötig.

Ansosnten: durchaus lesenswert.

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