Petra Hartlieb - Wenn es Frühling wrid in Wien (Teil I)

Also, ich habe heute mehrere Stunden im Café gelesen. und nachdem ich jetzt mal so Eure Kommentare gelesen habe, fürchte ich... Ihr killt mich, wenn Ihr meine Meinung lest ... ohoh.. na selbst auf die Gefahr hin ... hier mein Leseerlebnis.. quasi im "Live Mitschnitt!, nebenbei immer Notizen gemacht... daher mit Seitenzahlen...(wer Tippfehler findet, darf sie behalten ;-) )

Die Geschichte beginnt mit Marie (sie scheint die Hauptperson zu sein, aus dessen Perspektive wir die Geschichte lesen) , die mit Oskar am Arm das k.u.k. Hofburgtheater betritt. Aufgrund der Beschreibung ihrer Kleidung und des Verweises „wie eine feine Dame ausschauen“ und des Theaternamens kann der Leser darauf schliessen, dass a) Marie keine feine Dame ist und b) es sich um die Zeit der Jahrhundertwende in Wien handeln muss. Schnell lernt man, dass Marie das Kindermädchen der zweijährigen Lilli und ihres neunjährigen Bruders Heini (Heinrich) bei Dr. Schnitzler; beim dem Dr. Schnitzler, der das Theaterstück geschrieben hat. 

Es tut mir leid, dass ich gleich zu Beginn ein bißchen Zweifel, was die Richtigkeit der Darstellung des Zeitgeschehens betrifft.
S. 10: haltet Ihr es für realistisch, dass dr. Schnitzler seinem Kindermädchen zwei Theater Karten schenkt??  S. 12 Sie schenken ihr die Karten - und dann muss siegesgewiss, ob sie gehen darf, weil die Herrschaften weg sind und es nicht ihr freier Tag ist. waren die Karten damals nicht für einen bestimmten Tag? Das kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen.  Ich kenne mich nicht so mit der Kulturgeschichte in Wien / des Theaters aus, aber in der Kunstgeschichte von Preußen des 19. Jahrhunderts und da waren die Karten sicher Tageskarten 8so wie heute auch). Wäre doch sonst auch etwas chaotisch.
Ok, aber vielleicht fällt das auch unter dichterische Freiheit.

S. 11 Mensch-ärgere-Dich-nicht, gibt es seit 1910, ist aber seit 1914 in Serie. Laut Klappentext befinden wir uns im Jahr 1912 - wie realistisch ist es, dass Schnitzlers dieses Spiel besitzen?

Oh Mann, wenn ich so weiter mache, werde ich ewig für das Buch brauchen....

Mich wundert auch, dass Marie einfach so mit Oskar ausgehen darf. Bzw. Dass sie in der Öffentlichkeit Intimitäten austauschen (Umarmungen) und das alles ohne Anstandsdame?

S. 17/18 Erwähnt Hartlieb gleich zweimal hintereinander, dass Schnitzler seinen Sohn Heinrich, wie einen Erwachsenen behandelt (nicht gut lektoriert)

S.22 ff. Jetzt wird aus der Sicht von Oskar erzählt, der in der Buchhandlung in der Währinger Str. Bei Friedrich Stock arbeitet.
Wir erfahren, dass Marie mit Lilli bei ihm in den Laden „reingeschneit“ ist :-) .

S. 26 ff es ist offensichtlich, dass die Buchhändler Gold ihre Tochter gerne mit Oskar verkuppeln würden und er ist auch durchaus fasziniert von Fanni. Ich gehe aber davon aus, dass nach den üblichen Irrungen und Wirkungen, Oskar wieder zu Marie findet.

S. 30 ja, morgendliches Erbrechen... da ist wohl das Dienstmädchen Sophie schwanger, oder?
S.31 so ist es! .. war ja klar.

S. 36 wieder aus der Sicht von Oskar. Er schleicht um das Haus in der Sternwartstrasse herum und will einen Brief für Marie hinterlassen und wird dann von Schnitzler zum Essen eingeladen. Sind sie gesellschaftlich auf einer Stufe? Ich bin mir nicht sicher, ob das alles so üblich und möglich war.

S. 39 ff aus Maries Sicht: an ihrem freien Tag mit Oskar im Museum. Oskar ist anscheinend sehr gebildet, kennt sich mit Kunst (Breughel) und Literatur aus.

S. 51 So, wie erwartet kommt jetzt der Konflikt, dass Oskar sich stärker für Fanni interessier und dass, wo er doch gerade an den ersten Kuss mit Marie denkt... Fanni lädt ihn in die Oper ein... und plötzlich sitzen sie sich. Und gehen noch ins Sacher, Fanni/Familie Gold lädt ihn ein. Zumindest ist er hin und hergerissen .. das spricht für ihn. Uiiih Familie Gold muss reich sein, Fanni reist mit dem Schiff nach Amerika, ihr Vater hat ihr die Reise geschenkt Sie fährt mit eine Freundin, aber das weiss ihr Vater nicht (sie ist doch nicht etwa lesbisch...? also das wäre es ja jetzt!  Jetzt fehlt nur noch, dass Marie sie sieht und sich was denkt und dann mit Oskar sauer ist und aber nicht mit ihm drüber redet und ganz traurig ist und dem Leser vermittelt wird, dass sie nicht mehr zueinander finden... und in Wirklichkeit ist es alles nur ein großer Missverständnis.)

S. 56 TaTa!!! Ich wusste es ...  sie „interessiert sich nicht für Männer“
Ok und nicht Marie sieht die beiden, sondern Dr. Schnitzler persönlich!!! Here we go!

Ganz allgemein: Das Buch ist im Imperfekt (Erzählform) geschrieben und hat immer wieder gedankliche Rückblicke auf Ereignisse aus der Vergangenheit der Protagonisten, so dass man sie dadurch besser kennenlernt.  Das gefällt mir sehr gut. Hartliebs Stil ist flüssig und leicht zu lesen. Und irgendwie hält sich mich - trotz allem - bei der Stange.

Auch wenn ich sagen muss, dass ich erhofft hatte, dass sie stärker den Ton der Zeit (zu der das Buch spielt) treffen würde. Das vermisse ich etwas. Ausserdem finde ich alles etwas sehr offensichtlich und vorhersehbar. Bin leider bisher etwas enttäuscht. Hoffe, das wird noch...