Diskussion zu Siri Hustvedt "Summer without Men / Der Sommer ohne Männer"

Das Buch “Summer without Men / Der Sommer ohne Männer” von Siri Hustvedt hat uns allen gut gefallen. Auch, wenn es der ein oder anderen etwas schwer war, sich hineinzufinden. Das Buch an sich ist - wie die meisten Bücher von Hustvedt - nicht handlungsorientiert, sondern stark an der inneren Entwicklung der Hauptperson orientiert.
                                   
Der Umschlag der deutschen Ausgabe kann in die Irre führen, würde er doch besser zu einer Gaby Hauptmann oder Eva Herrmann passen. Wie viele Frauen da wohl an der Kasse beim EDEKA unerwartet schwere Kost erstanden haben?
   
Das Buch ist vielschichtig und wissenschaftlich offensichtlich sehr fundiert.
Wir konnten ein paar Themen, die sich durchhalten, herausfiltern:
    Grenze zwischen Realität und Phantasie
    Kaleidoskop der Generationen
    Verhältnis Mutter / Tochter
    Beziehung zwischen Mann und Frau

Ein paar Motive sind auch sehr interessant in diesem Zusammenhang, z.B. Floras Perücke (zum Schutz vor ihrem Vater, aber auch um in eine andere Rolle zu schlüpfen).

Der Buchtitel suggeriert, dass keine Männer im Buch anwesend sein würden. Natürlich sind sie oft ABWESEND, aber dennoch stets präsent in den Gedanken der Frauen. Boris und Mia scheinen eine wahre Lieberbeziehung zu haben, denn sie verbindet so viel, dass Mia sagt, dass sie gegenseitig ihre Gedanken kennen. Sie müssen nicht viele Worte wechseln, sie wissen auch so, was der andere denkt und das scheint auch ausschlaggebend zu sein für die Versöhnung am Ende. Der Ehebruch steht nicht im Mittelpunkt. Er scheint nicht das Wesentliche zu sein, obwohl er der Auslöser für Mias Zusammenbruch war. Beide haben aufgrund der Trennung wieder zu sich gefunden.  Vor allem Mia, deren Prozess der Leser begleitet. Es gibt der Geschichte etwas Hoffnungsvolles.

Wir haben uns gefragt, ob Mr.Nobody wohl das AlterEgo von Mia ist, die mit sich selbst zu Gericht sitzt.  Gerade ihr gespaltenes Ich in der Klinik würde dafür stimmen. Denn Mr. Noboday verschwindet just dann, wenn Mia wieder “eins mit sich” und ihrer Umwelt ist.

Mit dem Thema Mobbing nimmt sich Hustvedet eines ganz aktuellen Themas an. Mia hat es als Kind selbst erlebt und kann dadurch eine gute Lösung bieten. Wir fanden es bedauerlich, dass die Geschichte des Coven (Hexenzirkel) der Mädchen nicht weiterausgeführt wird.

Vom Stil hat uns das Buch sowohl im Original als auch in der Übersetzung sehr gefallen. Die direkte Anrede der Leserin ist ein besonderer Schachzug, der gekonnt zu einer Intimität führt und noch mehr Nähe herstellt. Mia ist als interessante Persönlichkeit dargestellt, die man gerne kennenlernen würde. Sie hat viel Empathie, so dass sie sich in andere gut hineinfühlen kann, dies wiederum macht Mia zu einer guten Schriftstellerin/Dichterin.
                               
Das Thema Ver-Ortung haben wir auch erörtert. Obwohl Bondon als Ort des Geschehens genannt wird, ist dies nicht wesentlich für die Geschichte. Diese könnte überall stattfinden - auf dem Land.          
   
Eine Frage, die wir uns gestellt haben, war “Sind Abigails Stickereien realistisch? Können wir sie uns vorstellen?”. Wie schon in “What I loved / Was ich liebte” schildert Hustvedt detailliert künstlerische Werke. Und wir fanden es nicht leicht, die Stickereien vor unserem inneren Auge entstehen zu lassen.